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Laser Induced Damage Threshold bei Hochleistungsoptiken - Teil 1

Ursachen, Bewertungen und Maßnahmen zur Reduzierung laserinduzierter Schäden

Lesezeit: 6 min - Wörter: 1155

Optische Bauelemente, die in vielen modernen Bereichen Anwendung finden, durchlaufen in der Regel eine komplexe Produktionskette, die mit einer Vielzahl abrasiv wirkender Schritte einhergeht. Dabei wird das verwendete Material meist mittels spanender Verfahren in seiner Struktur oder Zusammensetzung so abgetragen oder spezifisch verändert, dass optische Substrate mit hohen Oberflächenqualitäten und Leistungseigenschaften entstehen. Dennoch können diese Herstellungsverfahren auf mikroskopischer Ebene Defekte und lokale Inhomogenitäten induzieren, die als Auslöser für laserinduzierte Schäden (LID = Laser induced Damage) fungieren und die Performance optischer Substrate unter hohen Belastungsbedingungen stark beeinträchtigen können. Dies gilt insbesondere für beschichtete Hochleistungslaseroptiken, die z.B. in Laseraufgaben mit hohen Intensitäten bestrahlt werden. Mit steigender Spitzenpulsleistung gilt es diese so zu optimieren, dass sie hohen Laserintensitäten schadensfrei standhalten können. Die moderne Forschung beschäftigt sich daher seit geraumer Zeit vermehrt mit der Frage, was die Auslöser laserinduzierter Schäden sind und wie diese verringert oder gar komplett verhindert werden können.

In einer Blogartikelserie zum Thema Laser Induced Damage Threshold (kurz: LIDT) werden zunächst die fertigungsbedingten Ursachen für laserinduzierte Schäden, deren Bewertung/Klassifizierung sowie Maßnahmen zur Reduzierung von lokalen Inhomogenitäten näher beleuchtet. Im zweiten Teil der Serie zur LIDT erfolgt die Beleuchtung der Orte und Morphologien von laserinduzierten Schäden sowie die Beschreibung der gängigsten Messverfahren zur Bestimmung der laserinduzierten Schwelle.

Subsurface Damages als Ursache für laserinduzierte Schäden?

Harte und spröde Werkstoffe wie Keramiken, Glas oder Karbide, werden in Hochleistungsanwendungen aufgrund ihrer hervorragenden physikalischen und mechanischen Eigenschaften häufig verwendet. Aufgrund ihrer hohen Härte und Festigkeit lassen sich diese jedoch nur schwer bearbeiten. Besonders im Bereich Hochleistungslaser- und Lithografiesysteme werden zudem hohe Anforderungen an die Oberflächenintegrität gestellt. Neben einer hohen Formgenauigkeit werden außerdem ultraglatte Oberflächen im niedrigen Ångström-Bereich benötigt.

Die wichtigsten Abkürzungen auf einen Blick

LIDT Laser Induced Damage Threshold
LID Laser Induced Damage
SSD Subsurface (mechanical) Damages
OCT Optische Kohärenztomographie
MRF Magneto-Rheological-Finishing-Verfahren
IBF Ion Beam Figuring/Ionenstrahlpolieren
UAG Ultrasonic-Assisted Grinding/Ultraschallgestütztes Schleifen

Hergestellt werden diese Hochleistungskomponenten durch präzise, deterministische Zerspanungsprozesse (Schleifen, Läppen, Polieren), die jedoch Mikrodefekte und Risse mit jeder neuen Prozessstufe in das Material induzieren können. Abbildung 1 veranschaulicht die Prozesskette zur Herstellung optischer Komponenten sowie die Rissschädigungen nach jedem Prozessschritt. Mikrodefekte können entweder an der Oberfläche selbst vorhanden sein oder, bedingt durch den spröden Charakter der amorphen Materialien, auch einige hundert Mikrometer tief in das Material hineinragen. Bezeichnet werden diese inneren Defekte als Subsurface (mechanical) Damages (SSD). Solche Rissstrukturen sind besonders schädlich für die Leistung und Lebensdauer optischer Komponenten und können die Laserschadensschwelle (LIDT) signifikant verringern.


Abbildung 1: klassische Prozesskette zur Herstellung optischer Komponenten inkl. Darstellung der verbleibenden Rissschädigungen
Abbildung 1: klassische Prozesskette zur Herstellung optischer Komponenten inkl. Darstellung der verbleibenden Rissschädigungen


Abbildung 2 zeigt den stark vergrößerten, schichtweisen Aufbau einer anpolierten Glasoberfläche. Während des Polierprozesses entsteht eine geschlossene Schicht, die als teilweise geschmolzener Werkstoff in die Täler des Rauheitsprofils fließt und so die SSDs „versteckt“. Diese wird als Beilby-Schicht bezeichnet. Sie selbst kann eine amorphe oder mikrokristalline Struktur aufweisen und besteht aus einem stark hydratisierten, kaltverfestigten Material. Darüber hinaus kann sie Fremdstoffe oder Verunreinigungen beinhalten, die stark absorbierende, photoaktive Wirkungen erzeugen können. Daran angliedernd, befindet sich mit bis zu 100 µm tiefen Rissen, die SSD- bzw. Defekt-Schicht. Diese kann die Festigkeit des Materials schwächen und ebenfalls als Reservoir für Verunreinigungen dienen.


Abbildung 2: Aufbau einer anpolierten Glasoberfläche
Abbildung 2: Aufbau einer anpolierten Glasoberfläche


Die Art der Rissverläufe, deren Tiefe und die resultierende Oberflächenrauheit hängen dabei sehr stark von den angewandten Prozessparametern (Schnittgeschwindigkeit, Schleifdruck, Korngröße und -form, Schleif- und Polierzeit) sowie von den mechanischen Eigenschaften des verwendeten Materials ab. Besonders für Hochpräzisionsanwendungen gilt es die Zone des defektfreien Materials ausgehend von der Beilby-Schicht schnell zu erreichen. Daher wird, wie in Abbildung 1 veranschaulicht, während des Fertigungsprozesses in der Regel ein mehrstufiger Prozess (Vor-, Fein- und Feinstschleifen) mit geeigneten Prozessparametern angewandt. Dieser hat das zentrale Ziel, die Rissschädigungen mit jeder Prozessstufe weitestgehend zu reduzieren bzw. zu eliminieren. Denn je geringer die Defekte und SSD ausgeprägt sind, desto weniger Aufwand muss in den nachfolgenden, z.T. zeitintensiveren Bearbeitungsschritten (Polierprozess) aufgebracht werden.

Defekte und SSDs beeinflussen zudem auch die Lebensdauer optischer Beschichtungen. Diese werden nach dem Fertigungsprozess auf optische Komponenten aufgebracht und machen eine anwendungsspezifische Anpassung der Reflexions- und Transmissionseigenschaften möglich. Allerdings leiden diese jedoch oft unter den schwerwiegenden strukturellen Mängeln, da es bei intensiver Laserbestrahlung zu einer erhöhten Oberflächenabsorption kommt, die zu Schädigungen an der optischen Oberfläche führen können. Neben der Laserzerstörschwelle (LIDT) und der Beschichtungsgüte beeinflussen SSDs auch die erreichbare Abbildungsqualität sowie die mechanischen Eigenschaften optischer Komponenten.

Charakterisierung von Subsurface Damage

Da die Toleranzen an die Oberflächenintegrität optischer Komponenten immer enger werden, gilt es diese Schäden an und unter der Oberfläche genaustens zu charakterisieren. Seit geraumer Zeit existieren dazu eine Vielzahl an Verfahren zur Schadenserkennung. Sie liefern nicht nur umfassende Informationen zu Größe, Art und Lage von SSDs, sondern gelten auch als Richtlinien für nachfolgende Bearbeitungsprozesse. Generell unterscheiden sich die Charakterisierungsmöglichkeiten in nicht-destruktive und destruktive Verfahren. Zu den nicht-destruktiven Verfahren gehören primär optisch basierte Verfahren, wie die Mikroskopie, Streulicht- und Fluoreszenzmessung oder die Weißlichtinterferometrie. Weiterhin werden auch Vorhersagemodelle oder die akustische Mikroskopie zur nicht-destruktiven Detektion von SSDs angewandt. Vielversprechend ist zudem die optische Kohärenztomographie (OCT), da sie einerseits zerstörungsfrei arbeitet und im dreidimensionalen Bereich quantitative Informationen zur Risstiefe sowie qualitative Informationen über die Rissmorphologie bereitstellt. In Abbildung 3 sind die Messprinzipien einiger ausgewählter Verfahren schematisch veranschaulicht.


Abbildung 3: Auswahl verschiedener nicht-destruktiver Messverfahren zur Detektion von SSDs (schematische Darstellung)
Abbildung 3: Auswahl verschiedener nicht-destruktiver Messverfahren zur Detektion von SSDs (schematische Darstellung)


Neben den genannten Charakterisierungsmöglichkeiten finden vor allem destruktive Messverfahren in Industrie und Forschung Anwendung. Diese beinhalten vorwiegend chemische oder mechanische Verfahren, wie das Ion Beam Etching oder verschiedene Polierverfahren. Vorteil dieser Verfahren ist die Beseitigung schwerer Defekte sowie die Entfernung von Restspannungen im Material durch Ätz- oder punktuelle Poliervorgänge. Vor allem die Magneto-Rheological-Finishing (MRF)-Poliertechnik ist bisher das Mittel der Wahl zur Detektion von SSDs und wird in einigen Fällen auch mit Rasterkraftmikroskopie gekoppelt (MRF Wedge Technique). Neben der Entfernung von Restdefekten liefert diese Variante auch Informationen über das Rissprofil und deren Verlauf.

Prozesse zur Reduzierung und Vermeidung von Subsurface Damages

Das zentrale Ziel der modernen Optikfertigung ist die Vermeidung und Reduzierung der Rissstrukturen und Defekte. Aufgrund dieser Motivation etablierten sich einige Verfahren, die zur Reduzierung von SSD angewendet werden. Besonders punktuelle Polierverfahren, wie das MRF-Polieren oder Ionenstrahlpolieren (IBF) können nach chemischen Ätzvorgängen eingesetzt werden, um die Ebenheit und die LID-Beständigkeit zu verbessern. Zusätzlich wurden auch spezielle chemische Prozessketten entwickelt, die als „Advanced Mitigation Process“ bezeichnet werden. Durch einen speziellen chemischen Prozess, der Verunreinigungen und Mikrorisse beseitigt, kann die Widerstandsfähigkeit optischer Oberflächen gegenüber Laserschäden erheblich verbessert werden.

Zudem wurden auch Parameteranpassungen und neue Verfahren während des Schleifprozesses entwickelt. Reduzierungen der Korngröße, sowie der Einsatz von ultraschallgestützten Schleifprozessen (UAG) führen zu signifikanten Reduzierungen der SSD-Tiefe. Darüber hinaus verfügen sprödharte Materialien auf mikroskopischer Ebene (< 1µm) über ein gewisses elastisches (duktiles) Verhalten. Begrenzt man den Eingriff der Schneidkörner auf diesen Bereich, kann auch für sprödharte Gläser ein duktiler Schliff, ähnlich wie bei metallischen Werkstoffen erreicht werden. Dies ist vorteilhaft, da so die Ausbildung von Mikrorissen wesentlich verringert werden kann.

Im zweiten Teil der Serie zur Laser Induced Damage Threshold werden die Orte und Arten laserinduzierter Schäden beschrieben sowie die gängigsten Messverfahren zur Bestimmung der laserinduzierten Zerstörschwelle vorgestellt.


Über den Autor

Thomas Hegenbart
Thomas Hegenbart studierte Wirtschaftswissenschaften an der Friedrich-Schiller Universität Jena und promovierte im Bereich Marketing.