Quanten erklärt: Von Superposition, Verschränkung und dem Tanz der Teilchen
(R)Evolution der Quanten in Forschung und Alltag
Inhalt
Von winzigen Bausteinen des Universums bis hin zu fortschrittlichen Technologien - die Welt der Quanten ist reich an Geheimnissen, die unser Verständnis von Wissenschaft und Technologie auf den Kopf stellen. Doch Quanten sind nicht nur abstrakte Konzepte der Physik, sie prägen unseren Alltag bereits auf elementarere Weise, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Entdecken Sie, wie die subatomaren Partikel die Grundlage unseres Universums bilden und welche Anwendungen von der Kommunikation, Sensorik und Informatik bis hin zur Medizin möglich sind bzw. künftig möglich sein werden.
Von Katzen und Radioaktivität – Quantenphysik und ihre Verbindung zum Alltag
Quantenphysik blickt als Zweig der modernen Physik auf die rätselhaften Verhaltensweisen kleinster Teilchen wie Atome, Elektronen und Photonen. In ihrem Bestreben, Vorgänge und Zustände auf atomarer Ebene zu beschreiben, eröffnet sie Möglichkeiten, die weit über unser alltägliches Verständnis hinausreichen.
Das Gedankenexperiment “Schrödingers Katze” veranschaulicht die komplexe Natur der Quantenphysik (vgl. Abb. 1). Es beschreibt eine hypothetische Situation, in der sich eine Katze in einer undurchsichtigen Box befindet, zusammen mit einer Giftphiole, einem radioaktiven Präparat, einem Hammer und einem Geigerzähler. Die Unvorhersehbarkeit des Zerfalls des radioaktiven Materials führt dazu, dass die Katze gleichzeitig in einem Zustand von Leben und Tod existiert. Dies verdeutlicht das Konzept der Quantenüberlagerung, bei dem ein quantenmechanisches System mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen kann, bis es gemessen oder beobachtet wird.
Abbildung 1: Gedankenexperiment Schrödingers Katze.
Trotz ihrer Komplexität sind die Auswirkungen der Quantenphysik allgegenwärtig. Von der Abwicklung von Transaktionen an der Kasse bis hin zur Navigation mit GPS-Systemen, von der Kommunikation mit Mobiltelefonen bis zum Konsum von Unterhaltungsmedien. All diese Alltagsaktivitäten beruhen auf den Grundprinzipien der Quantenphysik und ihrer Anwendungen - was folgende Frage aufwirft:
Was sind Quanten? Grundlagen der Quantenmechanik
Quanten sind grundlegende Bausteine der Realität, die als kleinste Teilchen bzw. Quantenobjekte (Elektronen, Atome, Photonen) betrachtet werden können. Sie zeigen sich sowohl als diskrete Teilchen als auch als sich ausbreitende Wellen – weisen somit eine Doppelnatur auf. Ein Beispiel zur Verdeutlichung dieses Paradoxons bietet der Doppelspaltversuch.
Abbildung 2: Doppelspaltversuch
Bei diesem werden einzelne Photonen durch eine Blende geschickt, die außer zwei schmalen Spalten undurchlässig ist (siehe Abb. 2). Zu beobachten ist, dass die Photonen zunächst als kleine, einzelne Punkte (Teilchencharakter) erscheinen und nicht nur durch einen, sondern durch beide Spalten gleichzeitig gelangen. Werden sie über einen längeren Zeitraum emittiert, entsteht ein Interferenzmuster, welches mehrere Lichtmaxima und -minima aufweist (Wellencharakter). Dies ist nur möglich, weil die Photonen sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften besitzen (= Welle-Teilchen-Dualismus).
Eigenschaften der Quantenmechanik
Weitere Eigenschaften von Quanten, die zum besseren Verständnis der Materie beitragen und die Grundlage für moderne Quantentechnologien bilden, sind die Superposition, Quantenverschränkung und der Tunneleffekt.
Superposition: Die Überlagerung von Quantenzuständen
Betrachtet man Quanten als mathematisch beschriebene Wellen, so besitzen sie mehr als eine Lösung. In der Quantenmechanik werden diese Lösungen als Eigenfunktionen der Wellenfunktion bezeichnet, die verschiedene Zustände eines Systems beschreiben können. Die Wellenfunktion, auch mathematische Beschreibung einer Materiewelle, ist eine Kombination aus mehreren linear kombinierten Basiszuständen. Das bedeutet, ein Quantenobjekt kann in mehreren Zuständen gleichzeitig existieren oder mehrere Eigenschaften gleichzeitig besitzen (vgl. Abb.3).
Abbildung 3: Grafische Darstellung des Superpositionsprinzips. Das Photon kann gleichzeitig Zustand 1 und 2 besitzen.
Ein Beispiel für das Superpositionsprinzip ist die Tatsache, dass ein einziges Photon beim Doppelspaltversuch (vgl. dazu Abb. 2) durch die beiden Spalte gleichzeitig geht. Es existiert damit in zwei unterschiedlichen Zuständen zur selben Zeit.
Genutzt werden Superpositionszustände beispielsweise in der Messtechnik, um die Genauigkeit und Empfindlichkeit von Messinstrumenten zu verbessern, oder im Quantencomputing. Hierbei ermöglicht die Superposition die gleichzeitige Verarbeitung und Übertragung großer Informationsmengen. Die Fähigkeit zur gleichzeitigen Existenz in mehreren Zuständen bietet das Potenzial, Rechenoperationen erheblich zu beschleunigen und komplexe Probleme effizienter zu lösen, als es mit klassischen Computern möglich ist.
Unsichtbare Bindungen: Quantenverschränkung
Quantenverschränkung beschreibt die Verbindung zwischen Quantenobjekten, die selbst über große Entfernungen hinweg bestehen bleibt - es handelt sich hierbei um eine Art Korrelation zwischen den Objekten. Sind Photonen oder Elektronen miteinander „verschränkt“, bleiben sie dies auch über eine große Distanz hinweg.
Im oberen Teil der Abbildung 4 ist zu sehen, dass der Zustand zweier Photonen nur als Gesamtsystem beschrieben werden kann. Beide Systeme können einen der zwei Zustände mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% besitzen. Zunächst muss der Zustand eines Photons ermittelt werden, um auf den des zweiten schließen zu können.
Abbildung 4: Prinzip der Quantenverschränkung
Quantenverschränkung bildet die Grundlage für Quantenkommunikation und stellt einen Schlüssel für die Sicherheit von Übertragungen im Quantencomputing dar. Werden Photonen zur Informationsübertragung genutzt, sind Rückschlüsse darauf möglich, ob eine Information kopiert oder schon einmal gemessen wurde. So kommen fehlerhafte Messergebnisse zum Vorschein aber auch Indizien, wenn eine Verbindung abgehört wird.
Tunneleffekt: Wenn Quanten Barrieren durchdringen
Der Tunneleffekt beschreibt die Fähigkeit von Quantenteilchen, Barrieren zu durchdringen, die sie normalerweise nicht überwinden könnten, weil ihre Energie dazu nicht ausreicht. Trifft eine Quantenwelle auf eine Barriere, wie in Abbildung 5 dargestellt, nimmt ihre Amplitude zwar ab, bleibt jedoch nicht Null. Stattdessen ist das Quantenteilchen wahrscheinlicher dort anzutreffen, wo die Amplitude am größten ist. Dieser Effekt erklärt, warum die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen an anderer Stelle zu finden, ebenfalls nicht Null ist.
Abbildung 5: Visualisierung des Tunneleffektes
Anwendung findet diese Eigenschaft in der Bildgebung, z.B. in der Rastertunnelmikroskopie. Hierbei wird eine Spannung zwischen einer extrem feinen Nadel und der zu untersuchenden Oberfläche angelegt. Die Elektronen können den Abstand zwischen Nadel und Oberfläche überwinden, was zu einem Stromfluss führt, der aufgrund des Abstandes eigentlich nicht möglich sein dürfte. Dieser Stromfluss ermöglicht es, atomare Strukturen mit Präzision zu beobachten und abzubilden.
Meilensteine der Quantentechnologien
Die Entwicklung der Quantentechnologien ist ein wissenschaftliches Kapitel, das seit Beginn des 20. Jahrhunderts fortschreitet. Aus dieser Zeit sind zwei “Quantenrevolutionen” hervorgegangen, die die Entwicklung der Quantentechnologien maßgeblich vorangetrieben haben.
„Quantum 1.0“ – die erste Revolution der Quantenphysik
Die erste Revolution, auch bekannt als “Quantum 1.0”, ermöglichte ein grundlegendes Verständnis von Phänomenen, die bereits existierten. Hierbei wurden die komplexen Verhaltensweisen von Licht und Materie in extrem kleinen Dimensionen erforscht. Diese Erkenntnisse führten zu wegweisenden Innovationen wie dem Laser, LEDs, GPS, Halbleitern und vielen weiteren Technologien, die unseren Alltag prägen.
Quantum 2.0: Die Zukunft der Quantentechnologien
Aktuell befinden wir uns in der zweiten Revolution, dem “Quantum 2.0”. In dieser Ära geht es nicht darum, die Quantenphysik zu verstehen, sondern auch Quantensysteme gezielt zu steuern - etwa durch die Kontrolle der Schwingungsfrequenzen einzelner Quantenobjekte für präzisere Messverfahren und neue Technologien. Quantentechnologien ermöglichen es mittlerweile, die Zustände und Wechselwirkungen einzelner Quantenobjekte zu kontrollieren, zu manipulieren und zu messen. Dies eröffnet ein breites Spektrum von Geräten, Komponenten und Systemen, deren Funktionsweise auf quantenmechanischen Eigenschaften beruhen. Zu den Entwicklungen, die die zweite Revolution mit sich bringt, gehören z.B. Atomuhren, Quantengravimeter, Quantencomputer und Quantenmagnetometer. Diese Innovationen versprechen nicht nur technologische Fortschritte, sondern auch einen tiefgreifenden Einfluss auf verschiedene Bereiche unserer Gesellschaft.
Quantenphysik in der Praxis: Anwendungen heute und morgen
Entwicklungen innerhalb der Quantentechnologien werden durch beträchtliche Investitionen vorangetrieben und erweiterten den Markt schon heute z.B. um moderne Lasersysteme, Quantenprozessoren und hochempfindliche Quantenmikroskope. Diese Fortschritte manifestieren sich nicht nur in der wachsenden Anzahl von Patenten und Publikationen, sondern auch im zunehmenden Potenzial für quantentechnologiebasierte Instrumente. Besondere Beachtung findet das Quantencomputing, das darauf abzielt, eine schnellere und sicherere Kommunikation zu ermöglichen.
Quantentechnologien bieten vielversprechende Lösungen für eine Vielzahl von Herausforderungen und sollen zukünftig für mehr Effizienz, Präzision und Sicherheit sorgen. So könnten neuartige Sensoren beispielsweise zur Vorbeugung von Naturkatastrophen eingesetzt werden, indem sie frühzeitig warnen und präzise Daten liefern. Im medizinischen Bereich revolutionieren Quanten die Diagnoseverfahren für Krankheiten wie z.B. Alzheimer und Parkinson, wodurch eine frühere und genauere Erkennung ermöglicht wird. Darüber hinaus eröffnen sie faszinierende Möglichkeiten wie die Steuerung von Prothesen allein durch Gedanken, was das Leben vieler Menschen erheblich verbessern könnte.
Die Automobilbranche soll zukünftig ebenfalls von Quanten profitieren, insbesondere im Bereich des autonomen Fahrens. Bereits heute können Quantencomputer komplexe Umgebungen und Situationen schneller analysieren als Menschen.
Quanten und die Photonik
Von der Superposition über Verschränkung bis hin zum Tunneleffekt bieten Quanten Einblicke in die Geheimnisse der Natur und eröffnen Potenzial für zukünftige Technologien. Nach diesem ersten Blick auf die Grundlagen der Quantenphysik soll im zweiten Beitrag tiefer in die Verbindung von Quanten und Photonik eingegangen werden. Diese Synthese verspricht Entwicklungen in den Bereichen Kommunikation, Sensorik und IT. Bleiben Sie gespannt auf innovative Entwicklungsprojekte, die das Potenzial haben, die Grenzen des Möglichen weiter zu verschieben und die Zukunft zu gestalten.
Quellen
- Neugebauer, R.: Quantentechnologien (Fraunhofer ZV), München 2022
- Kagermann, H./Süssenguth, F./Körner, J./Liepold, A.: Innovationspotenziale der Quantentechnologien der zweiten Generation (acatech IMPULS), München 2020
- Konzeptpapier der Nationalen Initiative zur Förderung der Quantentechnologie von Grundlagen bis Anwendungen (QUTEGA): QUANTENTECHNOLOGIE Grundlagen und Anwendungen, 2017
- Photonics@Quantum: Technologies for Quantum Systems (Marktreport SPECTARIS und Messe München), Berlin/München 2022
- Dowling J P./Milburn G. J.: Quantum technology: the second quantum revolution; the royal society, In: Philosophical Transactions: Mathematical, Physical and Engineering Sciences Vol. 361, No. 1809, Information, Knowledge and Technology (Aug. 15, 2003), pp. 1655-1674