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Freiform Optiken - Anwendungsbereiche und zukünftige Einsatzmöglichkeiten

Potentiale und Herausforderungen von Freiform Optiken

Lesezeit: 4 min - Wörter: 846

Wie schon im Beitrag „Sphären vs. Asphären“ ausführlich erläutert, ermöglicht die Verwendung von Asphären in optischen Systemen u.a. kompaktere Bauweisen, weil gegebenenfalls Linsen eingespart werden können. Möchte man ein System ohne Leistungseinbußen noch weiter verkleinern, kann z.B. der Strahlengang gefaltet werden. Um hierdurch entstehende (unsymmetrische) Aberrationen zu kompensieren, werden freiformoptische Elemente verwendet. Diese müssen hinsichtlich ihrer Beschaffenheit vergleichbar mit den sphärischen und asphärischen Elementen sein, da sonst keine gleichbleibende Qualität garantiert werden kann. Eine hohe Güte der Freiform Optik ist also eine zwingende Voraussetzung für ihre Verwendung.

Ein Vergleich von Freiformen mit Sphären und Asphären im Hinblick auf Numerische Apertur, Sichtfeld und Miniaturisierung zeigt die folgende Abbildung. Freiformen können für alle drei genannten Parameter Verbesserungen erzielen.


Abbildung 1: Vergleich zwischen Sphäre, Asphäre und Freiform im Hinblick auf Sichtfeld (FOV), numerische Apertur (NA) und Miniaturisierung.
Abbildung 1: Vergleich zwischen Sphäre, Asphäre und Freiform im Hinblick auf Sichtfeld (FOV), numerische Apertur (NA) und Miniaturisierung.


Dank ihrer speziellen Oberflächenform können sie zudem Funktionen erfüllen, die mit klassischen Optiken nicht realisierbar sind. Besonders bei kleinen Optikkomponenten, wie z.B. Monolithen, ist dies bei Faltung des optischen Strahlengangs von besonderem Vorteil und kann bestehende Anordnungen, wie z.B. Spiegelsysteme, ersetzen. Ein weiterer großer Nutzen monolithischer Freiformen (siehe z.B. Abb. 2) zeigt sich in der Einsparung zeitaufwändiger Ausrichtungs- und Justierarbeiten.


Abbildung 2: Optikdesign eines monolithischen Systems bestehend aus drei asphärischen und einer freigeformten Oberfläche mit simulierter Faltung des Strahlengangs. Entstanden innerhalb des Wachstumskerns fo+.
Abbildung 2: Optikdesign eines monolithischen Systems bestehend aus drei asphärischen und einer freigeformten Oberfläche mit simulierter Faltung des Strahlengangs. Entstanden innerhalb des Wachstumskerns fo+.


Die Definition der Freiform Optik

Unter Betrachtung des geometrischen Aspekts, kann eine Freiform als eine Optik definiert werden, deren Oberfläche keinerlei Rotationssymmetrie oder Translation um die optische Achse aufweist. Die mathematische Charakterisierung der Freiformfläche ist sehr komplex und anspruchsvoll. Im Vergleich zu sphärischen oder asphärischen Flächen hat eine Freiformfläche signifikant mehr Freiheitsgrade. Durch das Aufbrechen der Symmetrie stehen dem Optikdesigner neue Möglichkeiten zur Gestaltung zur Verfügung. Natürlich wird hierdurch die Geometrie des optischen Bauteils komplexer und es ist zwingend erforderlich, Referenzstrukturen zur Orientierung zu nutzen.

Zur mathematischen Beschreibung von Freiformflächen gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Bei asphericon wird unter anderem nach ISO 10110 mit Zernike-Fringe-Polynomen gearbeitet, wobei das Oberflächenprofil (sag) mathematisch beschrieben wird durch:

z = c r 2 1 + 1 ( 1 + k ) c 2 r 2 + i = 1 N A i Z i ( ρ , φ )

Hierbei bezeichnet c den Kehrwert des Krümmungsradius, k die konische Konstante, Zi das Standard Zernike Polynom und Ai der Zernike Koeffizient, r die Radialkoordinate der Oberfläche, ρ (rho) die normierte Radial- und φ (phi) die Winkelkoordinate. Eine weitere Möglichkeit ist die mathematische Berechnung mit Hilfe des XY Polynoms, welches beschrieben wird durch folgende Gleichung:

z = c r 2 1 + 1 ( 1 + k ) c 2 r 2 + C j x m y n

Cj steht hierbei für den Koeffizienten des Polynoms und die Radialkoordinate r wird berechnet durch:

x 2 + y 2

m und n sind die Exponenten der x,y Polynome.

Anwendungsbereiche

Das große Potential von Freiform Optiken wurde bereits von verschiedenen Branchen entdeckt. In der Automobilindustrie steigern Fahrassistenzsysteme zunehmend das Fahrerlebnis. Zur Verbesserung dieser Assistenzsysteme werden immer mehr sensorische Systeme in Fahrzeuge eingebaut. Um diese in ihrer Komplexität aufbauen zu können, ist es wichtig, dass jedes einzelne System so wenig Bauraum wie möglich beansprucht. Hier kommt die Freiform Optik ins Spiel. In neueren Automodellen sind Freiformen in verschiedenen Implementierungen zu finden, z.B. innerhalb von Head-Up-Displays. Auch in der Bildgebungs-/Displayindustrie werden Freiform Optiken eingesetzt, bspw. in Projektionssystemen.

Zukünftige Ideen für den Einsatz von Freiformen

Freiform Optiken können prinzipiell überall da eingesetzt werden, wo eine Faltung von optischen Strahlengängen benötigt, schräg einfallendes Licht fokussiert werden muss und/oder eine Miniaturisierung des Systems angestrebt wird. Die Verringerung von Masse und Volumen in Kombination mit einem möglichst großen Sichtfeld macht Freiformsysteme auch in der Zukunft für verschiedenste Anwendungen interessant. Die Luft- und Raumfahrtindustrie beispielsweise könnte sich zu einem spannenden Einsatzbereich entwickeln.

Weiterhin kann ihr großes Potential im Bereich der Sicherheit genutzt werden, z.B. in Kamerasystemen für Feuerwehrhelme. Derzeit müssen Feuerwehrleute Infrarot-Kameras mit der Hand halten, um Menschen in brennenden oder zusammengestürzten Gebäuden zu finden. Folglich haben sie nur noch eine Hand frei, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Opfern zu helfen. Zukünftig könnte die in der Hand gehaltene Infrarot-Kamera durch ein im Helm verbautes Infrarot-System auf Freiform-Basis ersetzt werden. Verbunden mit einer AR-Brille können Wärmebilder sofort sichtbar gemacht werden.

Ein konkretes Beispiel zur Verwendung von Freiformen in einem Thermografie-System finden Sie auch in der Projektbeschreibung zum Forschungsprojekt „Freeform Optics Plus (fo+)”.

Herausforderungen der Freiform Optik

Optische Freiformflächen haben zahlreiche geometrische Freiheitsgrade, sodass viele Parameter die Konstruktion und Herstellung herausfordern. Durch ihre besonderen Eigenschaften ermöglichen Freiformflächen und Freiformoptiken zwar potenziell

  • Kompaktere Bauweisen,
  • Verkleinerungen optischer Systeme und
  • Sehr gute optische Leistungen, die klassischen Elementen in nichts nachstehen,

ihre Charakterisierung gestaltet sich jedoch komplex und zeitaufwändig. Neue Software und kompatible Produktionsprozesse sind erforderlich, um die anfallenden großen Datenmengen des Entwicklungs- und Fertigungsprozesses zu verarbeiten. Im Zeitalter von Industrie 4.0 eröffnen sich jedoch immer neue Möglichkeiten, sodass vor allem die Herstellung einfacher werden kann. Durch die vielen Einsatzmöglichkeiten und die sich damit neu eröffnenden Märkte im Bereich der Optik werden Freiformoptiken in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.


Über die Autorin

Ulrike Fuchs
Nach ihrem Einstieg bei asphericon im Jahr 2010 konzentrierte sich Dr. Ulrike Fuchs frühzeitig auf die Verknüpfung der Asphärenfertigung und Messtechnik mit Fragen des Optikdesigns...